Kapnographie: CO₂-Messwerte, Kurven und Trends
Kapnographie: Definition
Die Kapnographie beschreibt die kontinuierliche Messung des endtidalen CO₂ (etCO₂) im Ausatemgas, die in WEINMANN-Beatmungsgeräten über Infrarotspektroskopie im Seitenstromverfahren erfolgt. Die CO₂-Konzentration in der Ausatemluft ist der wichtigste Parameter für die Überwachung der Beatmungstherapie. Dadurch kann eine Tubusfehllage sicher ausgeschlossen und der Erfolg der Beatmung kontrolliert werden.
Die Kapnographie-Option steht Ihnen bei WEINMANN in dem Beatmungsgerät MEDUMAT Standard² zur Verfügung.
Vorteile der Nutzung einer Kapnografie
- Umfangreichere Überwachung der CO₂-Messwerte
- Verbesserte Diagnose von Lungenfehlfunktionen wie z. B. bei Asthma
- Sichere Kontrolle der Tubuslage nach Intubation
- Unterstützung bei der Feststellung eines ROSC während der Reanimation
- Kontinuierliche Messung und Darstellung des etCO₂-Wertes
Was ist etCO₂?
Endtidales Kohlenstoffdioxid (etCO₂) ist der Bestandteil der Ausatemluft, der bei einer Kapnographie ermittelt wird. Die etCO₂-Konzentration wird am Ende der Exspiration gemessen, wenn das Atemgas nicht mehr mit CO₂-freiem Totraumvolumen durchmischt ist.
Die endtidale CO₂-Konzentration hängt sowohl von der CO₂-Produktion als auch von der CO₂-Elimination ab. Letztere wird durch die Lungenbelüftung und die Perfusion, also die Durchblutung von Herz und Lunge, beeinflusst. Bei der Beatmung spielen zudem die Einstellungen am Beatmungsgerät, wie Frequenz und Tidalvolumen, eine wesentliche Rolle.1
Wie korreliert etCO₂ mit dem paCO₂?
Der Kohlenstoffdioxidpartialdruck (paCO₂) wird im arteriellen Blut durch eine Blutgasanalyse bestimmt. Er gibt den Anteil des Kohlenstoffdioxids am Gesamtdruck innerhalb der Atemluft an. Der Normbereich für den endexspiratorischen CO₂-Partialdruck liegt zwischen 33 mmHg und 43 mmHg. Das entspricht einer etCO₂-Konzentration zwischen 4,3 Vol-% und 5,7 Vol.-%.
Die hyperbole CO₂-Bindungskurve spiegelt die Abhängigkeit der etCO₂-Konzentration vom CO₂-Partialdruck wider: Je höher der CO₂-Partialdruck im Blut ist, desto höher ist auch die etCO₂-Konzentration.
Wie wird etCO₂ erhoben?
Bei der CO₂-Messung wird Probengas durch eine optische Messstrecke geleitet. Anschließend wird nach verschiedenen Wellenlängen gefiltert. Die Ergebnisse werden mithilfe von Mikroprozessoren umgerechnet und numerisch und grafisch im Display angezeigt.
Der CO₂-Gehalt der Exspirationsluft kann im Rahmen einer Kapnometrie bzw. Kapnographie auf zwei Arten gemessen werden:
1. Hauptstromverfahren (Mainstream)
Beim Hauptstromverfahren ermittelt eine Messküvette zwischen Trachealtubus und Y-Stück die Infrarot-Lichtabsorption.
Vorteile:
Bei der Messung tritt keine zeitliche Verzögerung auf und es kann die gesamte Luftmenge berücksichtigt werden.
Nachteile:
Durch die zusätzliche Messküvette zwischen Patientenventil und Tubus kommt es beim Hauptstromverfahren zu einem erhöhten Totraumvolumen. Dies ist insbesondere bei der Beatmung von Kleinkindern oder Säuglingen relevant.
Außerdem muss die Messküvette konstant auf 39 °C geheizt werden, um eine Beeinträchtigung der Messung durch Kondenswasser und damit eine Fehlmessung zu verhindern.
Beim Hauptstromverfahren besteht zudem eine erhöhte Diskonnektionsgefahr durch die zusätzliche Messküvette.
2. Seitenstromverfahren (Sidestream)
Beim Seiten- oder Nebenstromverfahren wird permanent eine kleine Menge an Luft abgesaugt und zum Detektor geleitet, wo die Messung vorgenommen wird.
Vorteile:
Das Nebenstromverfahren kann auch bei nicht intubierten Patient:innen über eine Nasenbrille mit CO₂-Absaugleitung zum Einsatz kommen. Außerdem bietet das Nebenstromverfahren den großen Vorteil, dass keine zusätzliche Messküvette notwendig ist. Dadurch ist der Totraum des Patientenschlauchsystems deutlich verringert und auch das Gewicht des Beatmungsschlauches am Patientenende ist kleiner.
Nachteile:
Die etCO₂-Messung erfolgt beim Nebenstromverfahren mit einer leichten zeitlichen Verzögerung und ist dadurch etwas langsamer als die Hauptstrommessung.
Indikationen: Einsatzgebiete für die CO₂-Messung
Die Kapnographie wird zum Monitoring in der Anästhesie und Intensivmedizin sowie im Rettungsdienst und bei Intensivtransporten angewandt. Im Speziellen wird eine CO₂-Messung in folgenden Fällen empfohlen:
- Für die Überwachung und Steuerung der Beatmung
- Für eine verbesserte Diagnose von Lungenfehlfunktionen etwa bei Asthma oder COPD
- Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) empfiehlt die Kapnographie in ihrer Leitlinie für die Tubuslagekontrolle.2
- Die Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) empfehlen die Kapnographie bei der Reanimation zum Monitoring der HDM und zur Feststellung eines ROSC.3
- Der Deutsche Rat für Wiederbelebung empfiehlt die CO₂-Messung, um die Position des Trachealtubus überprüfen.2,4
Hypokapnie: niedriger Kohlendioxid-Partialdruck
Hypokapnie beschreibt den Zustand, bei dem der Kohlenstoffdioxidpartialdruck im arteriellen Blut unter den Normalbereich fällt. Für die Hypokapnie gibt es verschiedene Ursachen.
- Absolute Hyperventilation: Es kommt zu einer vermehrten Abatmung von CO₂.
- Niedrige Körpertemperatur: Atemfrequenz und Atemtiefe nehmen ab und Stoffwechselprozesse verlangsamen sich. Das führt zu einer verminderten Produktion von CO₂.
- Schock: Der Körper startet die Zentralisation, bei der periphere Blutgefäße verengt werden und weniger Blut zirkuliert. Durch die verminderte Durchblutung der Extremitäten kommt es zu einer Abnahme der Kohlenstoffdioxidproduktion in den Geweben.
Weil die CO₂-Konzentration den Säure-Base-Haushalt beeinflusst, kann eine Hyperventilation zu einem Anstieg des pH-Werts im arteriellen Blut führen.3 Da Kohlendioxid sauer ist, kann durch eine vermehrte Abatmung von CO₂ eine respiratorische Alkalose entstehen, die sich in Symptomen wie Verwirrtheit, Schwindel und Krämpfen äußert.4
Hyperkapnie: erhöhter Kohlendioxid-Partialdruck
Bei der Hyperkapnie befindet sich ein erhöhter CO₂-Gehalt im Blut. Die häufigste Ursache dafür ist die Hypoventilation.
Bei der Hypoventilation kann durch zu flache Atmung nicht genügend CO₂ für den Gasaustausch in der Lunge zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wird nicht ausreichend CO₂ aus dem Körper entfernt, was sich im Blut anstaut und zu einem erhöhten Kohlenstoffdioxidpartialdruck führt.
Durch die verminderte Abatmung von CO₂ kann eine respiratorische Azidose entstehen, die zu Kopfschmerzen, Angstzuständen, Schwindel und Verwirrtheit führen kann.5 Zusätzlich kann sich bei einer fortschreitenden respiratorischen Insuffizienz eine CO₂-Narkose entwickeln, die zu Bewusstseinsstörungen und im Extremfall zu Bewusstlosigkeit führt.7
CO₂-Messung bei der Beatmung
Bei der Beatmung soll der CO₂-Abtransport so reguliert werden, dass der pH-Wert des Blutes im normalen Bereich bleibt oder wieder in den Zielbereich gelangt. Der paCO₂-Wert ist indirekt proportional zur alveolären Ventilation (VTalv/min), die das tatsächlich in die Alveolen gelangende Volumen beschreibt. Dieses Volumen ergibt sich aus der Differenz von Tidalvolumen (Vt) und Totraumventilation.
Eine Erhöhung des Minutenvolumens führt somit zu einer Erniedrigung des CO₂-Partialdrucks und umgekehrt. Bei Patientinnen und Patienten mit erhöhten etCO₂-Werten sollte das zugeführte Minutenvolumen demnach erhöht werden.
Das kann durch eine Erhöhung der Beatmungsfrequenz, eine Anpassung des Volumens bei volumenkontrollierter Beatmung oder eine Anhebung des oberen Druckniveaus bei druckkontrollierter Beatmung erfolgen. Eine höhere Obergrenze führt hierbei dazu, dass die Lunge stärker gedehnt wird und somit mehr Volumen einströmen kann.
Werden bei der Kapnographie zu niedrige etCO₂-Werte festgestellt, sollten Betroffene weniger beatmet werden. Dazu kann die Beatmungsfrequenz gesenkt, das obere Druckniveau bei druckkontrollierter Beatmung verringert oder das Volumen bei volumenkontrollierter Beatmung reduziert werden.
Individuelle Anpassungen müssen auf den Zustand der Patientin oder des Patienten sowie ihre Compliance des Atmungssystemsund den Atemwegswiderstand abgestimmt werden. Aufgrund der Trägheit der etCO₂-Werte sollten Anpassungen in kleinen Schritten vorgenommen 1,7
Auswertung der CO₂-Messwerte bei der Beatmung
Die CO2-Messung liefert wertvolle Informationen zur Beurteilung der Beatmung und ermöglicht eine präzise Überwachung des Atemwegsmanagements.
Ein plötzlicher Abfall des endtidalen Kohlendioxids auf nahezu Null kann auf eine Diskonnektion des Beatmungssystems, Dislokation des Tubus oder eine komplette Tubusobstruktion durch Sektretansammlung hinweisen. Bei solchen Veränderungen sollte umgehend überprüft werden, dass der Tubus korrekt positioniert ist und keine vollständige Blockade der Atemwege vorliegt. Auch eine akzidentelle Extubation, eine Ösophagusintubation oder eine Funktionsstörung des Beatmungsgeräts könnten sich durch diese Darstellung in der Kapnographie widerspiegeln.
Ein Abfall auf niedrige etCO₂-Werte über null kann auf verschiedene Probleme hindeuten, darunter Leckagen im Beatmungssystem, partielle Tubusverlegungen oder einen partiellen Atemwegsverschluss. Auch ein Tubus im Hypopharynx kann der Auslöser für diese Entwicklung sein.
Ein exponentieller Abfall des etCO₂-Wertes bei der Beatmung kann durch einen plötzlichen Blutdruckabfall oder einen cardiopulmonalen Bypass verursacht werden. In ernsteren Fällen kann die Veränderung jedoch auf schwerwiegendere Zustände wie eine pulmonale Embolie, hohen Blutverlust oder einen Herz-Kreislauf-Stillstand hinweisen, die sofortige medizinische Intervention erfordern.
Konstant niedrige etCO₂-Werte bei der Beatmung können auf Hyperventilation durch ein zu hohes Minutenvolumen oder eine niedrige Körpertemperatur hindeuten. Umgekehrt können konstant erhöhte Werte durch Atemdepression aufgrund von Medikamenten, eine metabolische Alkalose oder unzureichende Minutenventilation verursacht werden.
Das umfassende Monitoring mittels Kapnographie ermöglicht eine genaue Analyse des etCO₂-Parameters, unterstützt die Anpassung der Beatmungstherapie und trägt dazu bei, die Patientenversorgung zu optimieren.12,13
CO₂-Messung bei der Reanimation
Bei der Reanimation spielt die CO2-Messung eine zunehmend wichtige Rolle: zum einen lassen sich aus der CO₂-Messung wichtige Information entnehmen, die einen entscheidenden Einfluss auf die Reanimationsversorgung haben können. Zum anderen müssen die Ergebnisse der CO2-Messung immer kritisch hinterfragt werden, denn durch die Herzdruckmassagen (typischerweise 100-120/min) kommt es in der Nähe der Patientenanschlussöffnung des Beatmungsschlauches zu hochfrequenten Luftbewegungen, die dazu führen können, dass falsch niedrige Messwerte ermittelt werden.
Häufig ist der Messwert jedoch so aussagekräftig, dass sich durch ihn wichtige Rückschlüsse ziehen lassen:
- Wurde der Patient richtig intubiert? Wenn ja, sollte dies nach einigen Beatmungen durch Anstieg des CO2-Messwertes erkennbar sein.
- Ist die Qualität der Herzdruckmassage suffizient? Da der Gasaustausch in der Lunge maßgeblich durch die Drucktiefe und Druckfrequenz beeinflusst wird, ist der CO2-Messwert bei der Reanimation ein wichtiger Indikator für die Effektivität der Herzdruckmassage. Zusätzlich lässt sich durch den CO2-Messwert erkennen, ob der Patient in der richtigen Frequenz beatmet wird – hierdurch lassen sich Hyperventilationen vermeiden.
- Hat der Patient wieder einen Spontankreislauf? Sobald das Herz wieder beginnt eigenständig zu pumpen, ist dies durch einen sprunghaften Anstieg des CO2-Messwertes erkennbar. Am besten lässt sich dies in der CO2-Kurve erkennen.
- Ist der CO2-Messwerte über einen längeren Zeitraum sehr niedrig, sollte mit in die Bewertung einbezogen werden, ob die Reanimationsbemühungen noch den erwünschten Patientennutzen bringen. Hierbei ist es sehr wichtig, die CO2-Messung nur als einen von verschiedenen Parametern zu verstehen, die es zu beachten gilt.
Kapnographie bei WEINMANN
WEINMANN nutzt das Seitenstromverfahren, bei dem eine Gasprobe über den Beatmungsschlauch entnommen und ausgewertet wird.
Bei dem WEINMANN-Beatmungsgerät MEDUMAT Standard² ist nicht nur eine numerische Darstellung des CO₂-Wertes möglich, sondern auch die Anzeige von Kurven (Kapnographie) und Trends zur Überwachung der Beatmung.
Wählen Sie zwischen einem MEDUMAT Standard² – mit oder ohne Kapnographie. Sie benötigen dafür das passende Patientenschlauchsystem, welches die CO₂-Messung während der Beatmung ermöglicht.
So können Sie die Beatmungstherapie besser überwachen und erhalten weitere Unterstützung bei CPR und RSI.
Außerdem können Sie die Kapnographie mit MEDUMAT Standard² unabhängig von einer laufenden Beatmung während der Sauerstoffinhalation durchführen, um den Kohlendioxidanteil im Atemgas zu überprüfen.
1https://www.thieme-connect.de/products/ebooks/lookinside/10.1055/b-0034-20966
3https://cprguidelines.eu/assets/posters/Leitlinien-kompakt_08.11.2021.pdf
4 https://leitlinien.dgk.org/files/2022_kommentar_kardiopulmonale_reanimation_druck.pdf
7 https://www.draeger.com/Content/Documents/Products/co2-measurement-bk-gesamt-9097449-de.pdf