Frauen sind sensibel, Frauen sind für Haushalt und Kindererziehung zuständig, Frauen sind das „schwache Geschlecht“ – Vorurteile gegenüber Frauen sind weit verbreitet. Das hat nicht nur gesellschaftliche Konsequenzen, sondern auch berufliche. Obwohl die Debatten um Gleichstellung in den letzten Jahren zugenommen haben, gibt es in der Arbeitswelt immer noch Ungleichheiten zwischen Mann und Frau. Meistens zum Nachteil des weiblichen Geschlechts. Aber es gibt gute Nachrichten: die Geschlechterrollen verändern sich und die stereotypischen Berufe durchlaufen einen Wandel. Während bis in die 70er Jahre Frauen in Deutschland nur mit Erlaubnis ihres Mannes arbeiten durften, können sie heute theoretisch jeden Beruf ausüben, der ihnen gefällt – wie zum Beispiel den Beruf als Notfallsanitäterin.
Immer mehr Frauenpower im Rettungsdienst
Im Rettungsdienst gibt es zwar immer noch einen höheren Männeranteil – allerdings hat sich dieser in den letzten Jahren deutlich verringert: So sind beispielsweise heute bei der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) inzwischen 28 Prozent der Angestellten weiblich (Stand 2020). Tendenz steigend. „Dieses Jahr hatten wir in der Bewerbungsphase für die Ausbildung einen hohen Frauenanteil. Es haben sich mehr Frauen als Männer beworben“, freut sich Christian Mandel, Notfallsanitäter und Pressesprecher der RKiSH. Zu den Eigenschaften, die Menschen im Rettungsdienst mitbringen sollten, gehören unter anderem Sorgfalt, Einfühlungsvermögen, psychische Stabilität und eine gute körperliche Konstitution. „Eigenschaften, die nicht geschlechterspezifisch sind – sowohl Männer als auch Frauen können diese haben“, findet Christian.
Typisch Frau, typisch Mann gibt es nicht
Jeder hat seine Stärken und seine Schwächen – privat und beruflich. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. „Diese Geschlechter-Klischees nerven. Bei uns gibt es nicht typisch Mann und typisch Frau. Es gibt Frauen, die mehr in den Armen haben als einige Männer. Und genauso gibt es Männer, die einfühlsamer sind als einige Frauen“, findet die 28-jährige Lena Söth, Notfallsanitäterin bei der RKiSH. Bereits seit sechs Jahren arbeitet sie im Rettungsdienst. Zusätzlich ist sie Praxisanleiterin der Auszubildenden und unterstützt das PR-Team der Rettungsdienst-Kooperation. „Die Verantwortung, die ich als Praxisanleiterin trage, gefällt mir. Ich kann mir vorstellen, zukünftig noch mehr Aufgaben zu übernehmen“, sagt Lena. Deswegen studiert sie seit einem Semester berufsbegleitend das Fach Rescue Management. „Das Studium qualifiziert mich für eine Tätigkeit im mittleren Rettungsdienstmanagement, beispielsweise als Teamleiterin oder Leiterin einer Rettungswache“, erklärt Lena.
Keine Sonderbehandlung für Frauen
Mit Vorurteilen gegenüber Frauen hat Lena so gut wie gar nicht zu kämpfen. „Manchmal werden meine Kolleginnen und ich skeptisch von Patient*innen angeguckt, wenn wir sie beispielsweise eine Treppe heruntertragen müssen. Quasi nach dem Motto: Zwei Frauen, das geht doch gar nicht!“ Dass das eben doch geht, beweisen die Frauen jedes Mal. Würden sie es nicht schaffen, dann wären sie in diesem Job falsch. „Eine Sonderbehandlung für Frauen gibt es nicht. Und das ist gut so!“, findet Lena. Wenn jemand die körperlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, scheitert er bereits beim Auswahlverfahren. Manchmal zeigt sich aber erst in der Ausbildung, wer für den Job gemacht ist und wer nicht. „Einige Auszubildende haben einfach die körperliche Voraussetzung nicht. Und andere Auszubildende leider die menschliche nicht. Das sehe ich sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Da gibt es keinen Unterschied“, erklärt Lena.
Weiblich oder männlich? Beides hat seine Vorteile!
Auch wenn bei Männern die physische Kraft oftmals ausgeprägter ist, hilft es in einigen Einsätzen eine Frau zu sein – vor allem in Einsätzen mit Kindern oder schwangeren Frauen. „Kinder sind meistens stärker an ihre Mutter gebunden, vielleicht wenden sie sich daher lieber an eine Frau“, versucht es Lena zu erklären. Ähnlich ist es bei Schwangeren, die glauben, dass sich Frauen besser in ihre Lage versetzen können. Aber auch in der interkulturellen Kommunikation, haben Frauen in bestimmten Situationen einen Vorteil. „In einigen Religionen dürfen sich Frauen nicht von Männern untersuchen lassen“, erklärt Lena. „Das gleiche gibt es aber auch andersrum. Wir hatten schon mal einen Einsatz, da durfte keine Frau die Wohnung betreten“, erinnert sie sich. Um solche Situationen zu meistern, sind gemischte Teams optimal für den Rettungsdiensteinsatz. Das hilft, um die Betroffenen schnellstmöglich zu behandeln – ohne unnötig Zeit zu verlieren, weil Familien erst noch über das Geschlecht der Rettungsfachkräfte diskutieren müssen.
Traut euch!
Der positive Einfluss von Frauen sowie Männern, lässt sich also nicht bestreiten. In vielen Einsätzen erweist es sich sogar als vorteilhaft sowohl männliche als auch weibliche Rettungsfachkräfte dabei zu haben. Lena hat ihren Traumjob gefunden und will andere Frauen für den Beruf ermutigen: „Die Arbeit im Rettungsdienst ist unglaublich vielfältig. Persönlich entwickelst du dich extrem weiter. Vor sechs Jahren war ich definitiv noch nicht so selbstbewusst wie heute. Und auch mein Durchsetzungsvermögen hat sich deutlich verstärkt.“ Schluss mit den Geschlechter-Klischees im Beruf: Lena und ihre Kolleginnen im Rettungsdienst zeigen, dass Frauen genauso gute Notfallsanitäterinnen sind wie Männer.