Lungenprotektive Beatmung
Die lungenprotektive Beatmung ist eine wichtige Methode, um die mechanische Belastung der Lunge durch maschinelle Beatmung zu minimieren.1 Obwohl die Beatmung in vielen Fällen lebensrettend und in der Intensiv- und Notfallmedizin unverzichtbar ist, können beatmungsinduzierte Lungenschäden auftreten, die für Patientinnen und Patienten Langzeitfolgen haben können.
Die lungenprotektive Beatmung beschreibt keine einheitliche Leitlinie, aber sie umfasst Richtlinien zur Einstellung von Beatmungsparametern, um eine schonende Beatmung zu gewährleisten und Lungenschäden entgegenzuwirken. Erfahren Sie in diesem Artikel, in welchem Zusammenhang sie mit dem Open-Lung-Konzept steht und wie die Beatmungsgeräte von WEINMANN diese Beatmungsform unterstützen.
Definition: Lungenprotektive Beatmung
Die lungenprotektive Beatmung (LPV) bezeichnet eine schonende Form der maschinellen Beatmung, die in der Intensiv- und Notfallmedizin eingesetzt wird. Ziel dieser Beatmungsmethode ist es, beatmungsinduzierte Lungenschäden (ventilator induced lung injury, VILI) zu minimieren und gleichzeitig einen suffizienten pulmonalen Gasaustausch zu gewährleisten.
Sie hat ihren Ursprung in der intensivmedizinischen Behandlung des akuten Atemnotsyndroms (ARDS), weshalb sich die meisten Studien und Empfehlungen auf dieses Krankheitsbild beziehen. Obwohl es derzeit keine verbindlichen Leitlinien für die Einstellung der Beatmungsparameter gibt, haben sich bestimmte Grundprinzipien etabliert.
Ventilation parameters
Ein zentraler Aspekt ist die Verwendung niedriger Tidalvolumina. Empfohlen werden 4–6 ml/kg IBW (Ideal Body Weight). Das Tidalvolumen bezieht sich auf das ideale Körpergewicht, da die Lunge proportional zur Körpergröße ist. Da die Lunge bei Über- oder Untergewicht nicht schrumpft oder wächst, sollte das Tidalvolumen nicht auf das reale Körpergewicht abgestimmt werden. So wird sichergestellt, dass Patientinnen und Patienten unabhängig von ihrem tatsächlichen Gewicht gleich beatmet werden können.2
Ein weiterer wichtiger Parameter bei der lungenprotektiven Beatmung ist die Begrenzung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (FiO2) auf weniger als 60 %. Dadurch wird die Bildung freier Sauerstoffradikale vermieden, die das Lungengewebe schädigen können.
Zusätzlich sollte ein optimaler positiver endexspiratorischer Druck (PEEP) gemäß der PEEP-Tabelle des ARDS Network3 eingestellt werden. Auf diese Weise werden bei der lungenprotektiven Beatmung bestmögliche SpO2 und paO2-Werte bei minimalem FiO2 und stabiler Hämodynamik erzielt.
Um Barotrauma zu vermeiden, sollte der inspiratorische Plateaudruck nach Möglichkeit auf weniger als 30 mbar reduziert werden. Außerdem sollte die Druckdifferenz zwischen PEEP und dem oberen Druckniveau möglichst geringgehalten werden, idealerweise unter 15 mbar.
Zusammengefasst ergeben sich für die lungenprotektive Beatmung folgende Parameter:
- Tidalvolumen: 4–6 ml/kg IBW
- FiO2: < 60 %
- PEEP: gemäß PEEP-Tabelle
- Plateaudruck: < 30 mbar
- Druckdifferenz zwischen PEEP und oberen Druckniveau: < 15 mbar4
Ziele der lungenprotektiven Beatmung
Die lungenprotektive Beatmung zielt darauf ab, die Lunge durch eine schonende Beatmung zu schützen und so viele Lungenabschnitte wie möglich zu rekrutieren. Dabei wird der PEEP hoch genug eingestellt, um die Lunge offenzuhalten. Gleichzeitig wird der pInsp niedrig gehalten, um eine Überdehnung und Schädigung der Lunge zu vermeiden. So sollen kollabierte Alveolen und Atelektasen verhindert (Atelektrauma) und mögliche Komplikationen wie beatmungsassoziierte Lungenschäden reduziert werden. Diese Lungenschäden können in Form von Volu-, Baro- und Biotrauma auftreten und führen oft zu Entzündungen, gestörtem Gasaustausch und Atemstillstand.5
Ein weiteres wichtiges Ziel der lungenprotektiven Beatmung ist die Vermeidung von Scherkräften. Diese entstehen, wenn kollabierte und ventilierte Alveolen direkt benachbart sind und betragen ein Vielfaches des Beatmungsdrucks. Dadurch können sie die Zellen der Membran schädigen und proinflammatorische Mediatoren freisetzen.6
Bei Patientinnen und Patienten mit schwerem ARDS kann die lungenprotektive Beatmung durch die Anwendung niedriger Tidalvolumina die Mortalität deutlich senken.7 Niedrige Atemzugvolumina tragen zudem zur Rekrutierung der infiltrierten, atelektatischen und konsolidierten Lunge bei, vermindern den erhöhten anatomischen und alveolaren Totraum und vermeiden eine hohe inspiratorische O2-Konzentration. Darüber hinaus schützen sie die ventilierten Lungenbereiche und unterstützen, wenn möglich, die Aufrechterhaltung der Spontanatmung.8
Die Prognose bei einem schweren akuten Lungenversagen kann durch die lungenprotektive Beatmung verbessert werden.9
Vorteile einer lungenprotektiven Beatmung
Die lungenprotektive Beatmung bietet erhebliche Vorteile für Intensivpatientinnen und -patienten, insbesondere bei akuten Lungenschäden (ALI) und ARDS. Durch die schonende Beatmung wird die Letalität signifikant reduziert, wie eine Studie des amerikanischen ARDS-Netzwerks zeigte: Die Sterblichkeitsrate sank von 39,8 % auf 31,0 %, sodass darauf geschlossen werden kann, dass die Beatmungsform die Überlebensrate deutlich verbessert.
Zudem minimiert die lungenprotektive Beatmung die mechanische Belastung der Lunge durch maschinelle Beatmung und die sekundären Organdysfunktionen. Darüber hinaus reduziert sie die Beatmungsdauer, optimiert die Sauerstoffversorgung und verbessert die Lungenphysiologie.7 Aus diesen Gründen werden postoperative pulmonale Komplikationen verringert und das relative Todesrisiko am 28. Tag sinkt.10
Das Open-Lung-Konzept und die lungenprotektive Beatmung
Das Open-Lung-Konzept ist ein Beatmungsmanöver nach Lachmann, dass die lungenprotektive Beatmung unterstützt. Die Lunge wird während der gesamten Beatmung offen und funktionsfähig gehalten, sodass die Oxygenierung verbessert und die Abgabe von Kohlendioxid gefördert wird. Auf diese Weise werden weitere Schäden am Lungengewebe minimiert und die allgemeine Atmungsfunktion wird verbessert.
Das Open-Lung-Konzept und die Anpassung an die lungenprotektive Beatmung und ihre Merkmale werden in mehreren Schritten durchgeführt:
- Öffnung der Lunge: Zunächst wird die Lunge mit einer druckkontrollierten Beatmung (PVC) und einem relativ hohen inspiratorischen Spitzendruck (pInsp) geöffnet. Dabei sollen für mindestens 10 bis 30 Atemhübe inspiratorische Spitzendrücke von 40–60 mbar verabreicht werden. Das Verhältnis zwischen Inspiration und Exspiration (I:E) sollte dabei bei 1:1 oder 2:1 liegen und der PEEP sollte 10–20 mbar betragen.
- Offenhalten der Lunge: Anschließend wird die Lunge offengehalten, indem der inspiratorische Druck schrittweise auf den niedrigsten Druck adjustiert wird, bei dem das Recruitment nicht verloren geht. Der PEEP bleibt weiterhin zwischen 10 und 20 mbar.
- Anpassung an lungenprotektive Beatmungsparameter: Nach erfolgreicher Öffnung der Lunge wird der pInsp auf den niedrigstmöglichen Wert reduziert, um eine lungenprotektive Beatmung sicherzustellen. Dabei sollte der Driving Pressure so gering wie möglich sein, um adäquate PCO2-Werte zu erreichen. Hierfür werden inspiratorischer Spitzendruck und Mitteldruck bis zur niedrigstmöglichen Differenz titriert.
Die Wirksamkeit des Lungenöffnungsmanövers kann durch zwei Methoden beurteilt werden:
- Blutgasanalyse: Ein Anstieg des arterieller Sauerstoffpartialdrucks (paO2) im Blut deutet auf eine verbesserte Sauerstoffaufnahme durch die Lunge hin.
- Druck-Volumen-Kurve: Die Druck-Volumen-Kurve der Lunge kann Aufschluss darüber geben, ob sich die Lungenkapazität und Compliance durch das Manöver erhöht haben.
Bei der Anwendung sind maximal rekrutierte Lungenabschnitte Voraussetzung. Zudem muss das Recruitmentpotenzial der Betroffenen berücksichtigt werden. Es ist jedoch bisher ungeklärt, ob Recruitmentmanöver die Letalität und Beatmungsdauer bei Patientinnen und Patienten mit ALI oder ARDS reduziert, weswegen sie nicht zu den Standardverfahren zählen.
Auch der optimale Recruitmentdruck, die Dauer und die erforderliche Häufigkeit des Manövers sind noch offen. Aufgrund dieser Unsicherheiten ist es unbedingt erforderlich, dass das Verfahren der lungenprotektiven Beatmung von gut geschultem Fachpersonal durchgeführt wird.11,12
Unterstützung bei der lungenprotektiven Beatmung durch WEINMANN
Die lungenprotektive Beatmung wird von WEINMANN insbesondere im PRVC-Modus unterstützt, der bei den Beatmungsgeräten MEDUMAT Standard² und MEDUVENT Standard integriert ist. Die PRVC-Beatmung ist ein druckregulierter volumenkontrollierter Modus, der eine schonende Beatmung ermöglicht. Dabei wird der Inspirationsdruck innerhalb eines Testatemzugs so angepasst, dass das Ziel-Tidalvolumen druckgesteuert erreicht werden kann. Vorteile der PRVC-Beatmung sind insbesondere:
- Das Tidalvolumen wird exakt nach den Vorgaben eingestellt und kann im Betreibermenü vorkonfiguriert werden.
- Das Tidalvolumen wird mit dem geringstmöglichen Druck appliziert (druckkontrollierte Beatmung).
- Der einstellbare PEEP und maximale Beatmungsdruck (pMax).
- Die Möglichkeit zur Überwachung des Plateaudrucks (pPlat).
Mit diesen Einstellungen ermöglicht der PRVC-Modus, die lungenprotektive Beatmung zuverlässig durchzuführen. Die Beatmungsgeräte von WEINMANN bieten zahlreiche Vorteile, die sie im Rettungseinsatz unverzichtbar machen:
MEDUVENT Standard ist eines der weltweit leichtesten turbinenbetriebenen Transport- und Notfallgeräte. Mit einem Gewicht von nur 2,1 kg und einem Volumen von 3,5 Litern kann es bei normalen Beatmungseinstellungen für Erwachsene bis zu 7,5 Stunden ohne externe Druckgasversorgung beatmen. Dabei können inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen von 21–100 % appliziert werden. Aus diesem Grund eignet es sich besonders für die lungenprotektive Beatmung, da durch die Voreinstellung FiO2-Werte unter 60 % verabreicht werden können.
MEDUMAT Standard² ist der ideale Begleiter für den Rettungsdienst in jeder Situation und verfügt über zahlreiche Beatmungsmodi. Mit einem Gewicht von nur 2,5 kg und einer Akkulaufzeit von 10 Stunden ist es besonders geeignet für lange Einsätze und Einsätze mit langen Fahrtwegen, etwa auf dem Land. Es kann Patientinnen und Patienten ab einem Körpergewicht von 3 kg beatmen, weshalb MEDUMAT Standard² sich sowohl für die Beatmung von Säuglingen als auch für Erwachsene eignet.
Die Beatmungsgeräte von WEINMANN zeichnen sich durch ihre intuitive Bedienung aus. Die Bedienungssymbole sind übersichtlich angeordnet und die Geräte sind mit visuellen und akustischen Warnsignalen ausgestattet. Dadurch wird die Patientensicherheit gewährleistet und sichergestellt, dass gegebenenfalls Modifikationen vorgenommen werden können. Druck- und Flowkurven an den Beatmungsgeräten ermöglichen ein übersichtliches Monitoring. Auf diese Weise kann bei der lungenprotektiven Beatmung überwacht werden, dass die Lunge ausreichend belüftet wird, ohne überdehnt zu werden. In kritischen Situationen kann die Beatmung schnell und leitliniengerecht über die Eingabe der Körpergröße gestartet werden. Das Gerät berechnet daraus das optimale Tidalvolumen zur lungenprotektiven Beatmung.
Die lungenprotektive Beatmung ist eine patientenschonende Beatmungsform, die viele Risiken der maschinellen Beatmung wie Volu- und Barotrauma reduziert. Die WEINMANN-Beatmungsgeräte tragen dazu bei, die lungenprotektive Beatmung effektiv und sicher zu gestalten, indem sie kompatible Beatmungsmodi und benutzerfreundliche Funktionen bieten.
2 Lang, Hartmut (2020). Beatmung für Einsteiger. 3. Ed. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag
3 Higher versus Lower Positive End-Expiratory Pressures in Patients with the Acute Respiratory Distress Syndrome | New England Journal of Medicine: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa032193
4 Breathing/ventilation Dirk Jahnke - Ventilation Settings: https://atmungbeatmung.de/index.php/beatmung/19-einstellung-der-beatmung
5 https://www.nysora.com/de/An%C3%A4sthesie/Lungenprotektive-Beatmung/
7 https://www.ai-online.info/abstracts/pdf/dacAbstracts/2009/09_Quintel.pdf
8 R. Larsen, T. Ziegenfuß (2017). Pocket Guide Beatmung. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag
9 https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0032-1329430
10 https://www.nysora.com/de/An%C3%A4sthesie/Lungenprotektive-Beatmung/
11 R. Larsen, T. Ziegenfuß (2017). Pocket Guide Beatmung. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag
12 https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2001-10470#N10944